Realschule Plus - Daun Vulkaneifel - Kooperative Realschule

Nie wieder ist jetzt: Antisemitismusexperte zu Gast beim Holocaust-Gedenktag

Persönliche Schicksale, darunter das einer Familie aus der Region, waren zentrale Themen des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus anlässlich der Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar 1945. Da der Holocaust-Gedenktag in diesem Jahr auf einen Samstag fiel, wurde er an der Drei-Maare-Realschule plus Daun mit FOS am Montag, 29. Januar für die Klassenstufen 9, 10, 11 und 12 begangen. Nach einem Grußwort des Schulleiters Thomas Follmann und einer Mahnwache der SV stellte die Zehntklässlerin Lucie Schneider den Programmablauf vor. Geschichtslehrer Lukas Winkler ging auf den Kontext des Gedenktages und den Holocaust ein. „Nacht und Nebel“, ein eindringliches filmisches Zeitdokument von Alain Resnain, konfrontierte die Schülerinnen und Schüler mit dem Aufbau des unmenschlichen Kosmos der KZs. Ein Aufruf zum Widerstand, das Lied „Die Moorsoldaten“, das 1933 von politischen Häftlingen des Konzentrationslagers Börgermoor geschrieben wurde, stellte Stefan Müsseler, Mitorganisator des Gedenktages vor.

Nele Reichertz und Thomas Illnitzki (beide 10a) erinnerten an die jüdische Familie Levy-Mansbach , die seit 1880 in Gerolstein lebte. Nathan Levy war es mit dem „Kölner Kaufhaus“ hier gelungen, ein  Geschäft von beinahe städtischem Zuschnitt in den ländlichen Raum zu verpflanzen. Die Familie war bis in die 30er Jahre gut integriert und hoch angesehen, aber der Sieg der Nazis 1933 ließ schlimme Zeiten erahnen. 1938 wurde ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt, es begann der Kampf ums Überleben. 1942 bzw. 1943 erfolgten dann die Deportationen nach Polen in die Vernichtungslager, wo die gesamte Familie umkam. Heute erinnern Stolpersteine auf dem Friedhof in Gerolstein an die grausam ermordeten jüdischen Mitbürger.

Jeremy Kluingoen, Christian Heckmanns und Steven Klein aus der 9b richteten ihr Augenmerk auf Willi Graf, 1918 in Kuchenheim bei Euskirchen geboren und seit 1922 in Saarbrücken lebend. Er war Mitglied des „Grauen Ordens“, weigerte sich, der Hitlerjugend beizutreten, machte dennoch Abitur und wurde 1938 mit 17 anderen Mitgliedern der Geheimorganisation wegen „bündischer Umtriebe“ angeklagt und für einige Wochen inhaftiert. Nach Kriegseinsätzen als Sanitätssoldat wurde der Medizinstudent im April 1942 nach München abkommandiert und schloss sich hier der „Weißen Rose“ an. Nach der Verhaftung der Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 und ihrem Tod nur 4 Tage später blieb Willi Graf noch acht Monate in Untersuchungshaft, um Informationen aus ihm zu pressen, doch er schwieg und rettete vielen damit das Leben. Am 12. Oktober 1943 wurde er in München-Stadelheim mit einem Fallbeil enthauptet.

Witold Pilecki, Deckname Roman Jezierski,  war ein polnischer Offizier und Widerstandskämpfer, der sich 1940 freiwillig verhaften ließ und ins KZ Auschwitz ging, um über die Zustände aus erster Hand zu berichten und Widerstandsstrukturen aufzubauen. Als einer der ersten Zeugen des Holocaust gelang ihm 1943 die Flucht. 1948 verurteilte ihn ein Gericht im Zuge der Stalinisierung Polens wegen Spionage zum Tod. Sein Schicksal beleuchteten Emely Drossart und Vivien Bruland aus der 10c.

Von der Lokalgeschichte zu Deutschland und dem heutigen Antisemitismus:

Zentraler Gast des Gedenktages war Lennard Schmidt, seit 2023 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung an der Universität Trier.

Was ist eigentlich das Judentum und warum werden Menschen zu Antisemiten? Lennard Schmidt erklärte, bezog Stellung und gab Antworten auf die vielen Fragen der Jugendlichen. „Ihr müsst euch das vorstellen, wie einen Instagramfilter. Aus Buntfotos werden schwarz-weiße und so legen Menschen mit Judenhass ihren Antisemitismusfilter über Dinge. So ist die Welt leicht erklärt, oder das eigene Versagen muss nicht hinterfragt werden. Antisemiten fühlen sich oft minderwertig und brauchen einfache Lösungen für komplexe Probleme.“ In Bezug auf den Attentäter von Halle sagte er: „Seinen Bekennerbrief hätte auch ein Nazi aus dem Dritten Reich verfassen können.“ Weitere aktuelle Formen von Antisemitismus kamen zur Sprache wie Grabschändungen oder Vermieter, die zurzeit nicht an Juden vermieten möchten.

„Antisemitismus hat viele Gesichter“, so der Experte. Den Jugendlichen riet er, etwas dagegen zu sagen, sich aber nicht in Gefahr zu bringen und im schlimmsten Fall den/diejenigen anzuzeigen. „Heute werden solche Fälle viel mehr von der Polizei und vor Gericht verfolgt als noch vor 30 Jahren. Und das ist auch gut so.“ Dennoch sieht er Aufklärung und Kommunikation als wesentliche Mittel, dem Antisemitismus zu begegnen.  Auf die Frage nach einem möglichen AfD-Verbot ist er gegen Ausschluss und dafür, mit den Leuten zu sprechen. „Viele überdenken ihre Meinung vielleicht, jeder kann sich ändern, bei anderen bringt es aber ab einem gewissen Punkt nichts mehr und man muss dann auf sich selbst achten.“ Gegen Rassismus würde er sich genauso einsetzen, aber sein Schwerpunkt sei der Antisemitismus. „Das ist mein Beitrag dafür, die Welt ein bisschen besser zu machen.“

Foto (oben): Rektor Thomas Follmann bei der Begrüßung.
Foto (Mitte): Christian Heckmanns und Jeremy Kluingoen (v.l.) erinnerten an Willi Graf.
Foto (unten): Lennard Schmidt mit der Schülervertretung und den jugendlichen Referenten.
Fotos: M. Spindler

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